Grenzgaenger: Querly im Interview
New kids on the bock
SIE SIND KEIN BISSCHEN RETRO, ZEICHNEN KEINE ALTEN WEGE NACH. DIE JÜNGSTE SZENE IM MOTORRAD-ORBIT SCHREIBT SELBST GESCHICHTE. MEIST AUF DEM HINTERRAD.
TEXT // MONIKA SCHULZ
FOTOS // ARCHIV GRENZGAENGER
Querly steht am Fenster. Rücken zur Tür. Ein langer Rücken. Schwarz. Mit großem weißem Logo: zwei gekreuzte Kolben, in der Mitte ein Totenkopf. Passt nicht wirklich in den Konferenzraum des Bürokomplexes im Karlsruher Nordwesten. Weder das Logo noch querly. Ohne den es das alles nicht gäbe: das Grenzgaenger-Headquarter, den Grenzgaenger -Shop, die 32 Angestellten. In alle Welt schicken sie von hier aus ihre Hoodies, Helme und Accessoires mit dem weißen Kolbentoten hinaus. querly arbeitet nicht im Headquarter. Er ist Fahrer. Filmemacher. Künstler. Der Business Rockstar im Team heißt Stephan, der im Gegensatz zu querly gleich drei zivile Namen auffährt: Stephan-Peter Jäkel, Bachelor of Arts. Hat Unternehmertum studiert und 1a verstanden. Seine Idee war es, Grenzgaenger zur Marke auszubauen, zur Community – nein, zum Kosmos für querly-Fans. Aus 200 000 Youtube-Abonnenten sind in drei Jahren 850 000 geworden. Und querly, das Phänomen, das Phantom, dessen Gesicht man in keinem Video sieht, steht an diesem Fenster, weil er einem Interview zugestimmt hat. Einer Sache, der er offenbar nicht ganz traut: keine Bild-, keine Tonaufnahmen. Um Gerüchten vorzubeugen: Seinen Helm hatte querly bei dem Gespräch nicht auf.
>>ZUM ENDUROFAHREN SUCHEN WIR UNS ABGELEGENE ORTE, WO ES KEINEN ÄRGER
GIBT <<
POLO: querly, warum sieht man dich in deinen Filmen nie ohne Helm? Gehört das zur Strategie des Grenzgaenger-Marketings?
querly: Nein, das mache ich für mich. Um nicht überall erkannt zu werden. Meine Fans sind mir natürlich wichtig, und ich bin auch mit vielen unterwegs. Wir fahren zusammen, ich zeige ihnen meine Strecken. Aber das kann man nicht endlos ausweiten. Da finde ich es besser, gar nicht erst erkannt und gefragt zu werden, als jemanden abzuweisen. So gesehen ist es schon eine Strategie, aber meine. Für mich und meine Privatsphäre.
POLO: Zu deiner Privatsphäre zählt auch dein bürgerlicher Name?
querly: So ist es. Ich bin querly.
POLO: Der Youtuber mit 850 000 Abonnenten und 100 Millionen Views. Macht dir das manchmal auch Angst?
querly: Angst ist das falsche Wort. Eher Verantwortung. Obwohl eigentlich jeder für sich selbst verantwortlich ist. Trotzdem. Bei meinen früheren Videos habe ich mir zum Beispiel keinen Kopf darüber gemacht, wo ich herumfahre und wen ich dabei störe. Es ging mir einfach nur um gute Bilder. Jetzt ist das anders. Wenn du so gefeiert wirst wie ich, hast du auch viele Nachahmer und damit eine Vorbildfunktion. Ob du das willst oder nicht.
POLO: Manche behaupten, Grenzgaenger und querly hätten gar kein Gewissen.
querly: Ja, behauptet wird viel. Aber die meisten, die etwas über uns behaupten, wissen gar nicht, wer wir sind. Die haben nie mit uns gesprochen.
POLO: Soll heißen, das Image der Karlsruher Sumo-Rowdys ist frei erfunden?
querly: Nein, das nicht. Ich hab' schon Sachen gedreht und auf meinen Kanal gestellt, die vielleicht nicht so gesetzeskonform waren. Doch wie gesagt, habe ich dazugelernt. Auf dem Grenzgaenger-Kanal lief so etwas sowieso nie. Wenn ich heute Wheelies fahre, achte ich darauf, niemanden auf der Straße zu schocken, und zum Endurofahren suchen wir uns abgelegene Orte, wo es keinen Ärger gibt. Wir gehen?...
POLO: ...ins Naturschutzgebiet zum Beispiel?
querly: Bestimmt nicht. Ich liebe die Natur. Ich liebe Landschaften. Das zeige ich auch immer öfter in meinen Videos. Ich würde auch niemals ein Tier verfolgen oder gar überfahren. Solche Storys hat man ja schon über mich verbreitet.
POLO: Wer sind dann die Grenzgaenger, die durch Wälder heizen, Tiere jagen und Förster vorführen?
Stephan: Da herrscht in Berichten immer eine Verwirrung. Grenzgaenger ist keine Gang, Grenzgaenger ist eine Marke. Wir verkaufen hauptsächlich Pullis. Und wenn jemand Mist baut und dabei einen unserer Hoodies trägt, heißt es: ‚Aha, ein Grenzgaenger.‘ Hätte der einen Yamaha-Pulli an, würde keiner sagen: ‚Aha, wieder einer von diesen Yamahas.‘
POLO: Wobei Yamaha da garantiert nichts dagegen hätte.
Stephan: Gegen den letzten Teil der Geschichte nicht, gegen den Generalverdacht schon.
POLO: Du spielst auf den Aufruf von MX-Vereinen an, Fahrer mit Grenzgaenger-Pulli nicht mehr auf die Strecken zu lassen?
Stephan: Genau darauf. Dieses Ausgrenzen ist doch absurd und schadet auch den Vereinen selbst. Die suchen händeringend nach ehrenamtlichen Streckenposten und schicken begeisterte Nachwuchsfahrer nach Hause.
querly: Manche Fans stellen schon wildes Zeug ins Netz und versuchen, mich zu imitieren. Ich verfasse gerade einen Text dazu, in dem ich Stellung beziehen und meine Meinung sagen werde. Aber das ist wie mit den Filmen: Ein guter Text braucht Zeit, und bei einem so wichtigen muss jedes Wort sitzen. Vielleicht wird es auch ein Statement in Videoform.
POLO: Wie lange arbeitest du an einem Clip?
querly: Bis er in meinen Augen perfekt ist.
POLO: Und wann ist er perfekt?
querly: Wenn er mir gefällt. Das kann sehr lange dauern. Mehrere Wochen auf jeden Fall. Es kann auch passieren, dass ich alles wieder lösche, wenn etwas nicht stimmt. Es muss alles stimmen. Und es muss so sein, dass ich mir das Video immer wieder gern anschaue. Auch mehrmals hintereinander, weil alles so geworden ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Bilder, die Fahrszenen, der Schnitt, die Musik.
POLO: Ist es das, was die Leute so an deinen Filmen mögen, das Perfekte?
querly: Ich glaube eher, dass es das Ehrliche ist. Das ist keine Show, das sind keine Hochglanzbilder, das ist richtiges Motorradfahren. Im Vordergrund steht der Spaß. Meine Videos drücken genau das aus, wonach ich früher im Netz immer gesucht habe.
POLO: Was heißt früher, wann hast du mit dem Filmen angefangen?
querly: Mit 14, 15. Da hat mir mein Vater einen Camcorder geschenkt. Den hab' ich mit Tape an den Stiefel geklebt, für Onboard-Aufnahmen vom Mofa. Mit satten 30 km/h nicht so mitreißend. Bei meiner 125er fand die Kamera an einer soliden Lenkerklemme Halt, natürlich ist alles verwackelt. Es gab eben noch keine Gopro. Handy-Kameras hatten wir auch nicht. Darüber bin ich übrigens todesfroh, also ohne Smartphone aufgewachsen zu sein. Wir waren immer draußen, immer unterwegs. Man hatte ein paar Telefonnummern im Kopf, ein Anruf: ‚Hat Tobias heute Zeit? Ja, nein’, fertig. Das war unglaublich leicht und frei.
POLO: Wie alt bist Du – also grob?
querly: Ganz grob Mitte 20.
POLO: Dein erstes Motorrad?
querly: Eine Yamaha DT 125.
POLO: Und dein Lieblingsmotorrad?
querly: Schwierige Frage. Ich liebe Zweitakter, von daher auch die DT, nur habe ich zurzeit keine. Aktuell fahre ich am liebsten meine neue Husqvarna Supermoto.
POLO: Welche Bikes hast du noch am Start?
querly: Meine Simson und eine KTM EXC 300. Meine alte DRZ ist leider Schrott.
POLO: Also nicht, wie man oft liest, komplett von der Motorradindustrie gepampert?
querly: Ich weiß nicht, woher die Leute ihre Informationen nehmen, bei mir ist jedenfalls noch kein Geschenk angekommen.
>> Aktuell Fahre
ich am liebsten
meine neue husqvarna
supermoto<<
POLO: Du bist schon drei Mal beim Erzberg mitgefahren?
querly: Ja, und drei Mal reichen. Bei meiner Premiere bin ich nur bis zum Prolog gekommen. Total unerfahren. Beim zweiten Mal kam ich ins Rennen und landete irgendwo zwischen Platz 200 und 300. Das ist gar nicht so schlecht. Im letzten Jahr hab' ich mir ein Loch in den Motor gefahren, kam aber von den Checkpoints her weiter. Drum war ich zufrieden. Den Rest überlasse ich lieber den Profis.
POLO: Erzberg, ist das nicht sogar für einen wie dich ein bisschen scary?
querly: Ein Spaß ist es jedenfalls nicht. Das ist knallharter Wettbewerb.
POLO: Was bedeutet für dich Grenze?
querly: Dass da ein Punkt ist, an dem es nicht mehr weitergeht.
POLO: Den gibt es also?
querly: Ja, zumindest für mich. Natürlich versuche ich, meine Grenzen zu erweitern.
POLO: Wie weit fährst du auf dem Hinterrad?
querly: Bis die Arme weh tun. So zwei Kilometer. Mich reizen aber Wheelies mit kontrolliertem Einsatz der hinteren Bremse viel mehr.
POLO: Hast du einen erlernten Beruf?
querly: Ja. (lacht)
POLO: Ist aber deine Privatsache?
querly: Ich habe direkt nach der Schule Mediengestalter gelernt und mache jetzt das, wovon ich immer geträumt habe.
POLO: querly, Stephan, danke für eure Zeit.
Sleep, eat, ride, repeat
WAS FREESTYLER MÖGEN. UND WAS SIE BRAUCHEN. DAMIT DIE KUNST AUCH
MAL IN DIE HECKEN GEHEN DARF: